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Haftung des Geschäftsführers bei vorsätzlicher sittenwidriger Insolvenzverschleppung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich eine für die Praxis bedeutsame Entscheidung zur Frage der Haftung eines Geschäftsführers bei verspäteter Insolvenzantragstellung getroffen.

In dem Fall hatte eine GmbH Bauleistungen versprochen und dafür eine Vorschuss von 13.000 € vom Auftraggeber erhalten. Es kam im weiteren Verlauf zu Differenzen. Der Auftraggeber kündigte den Vertrag und verlangte Mängelbeseitigung und Rückzahlung des unverbrauchten Vorschusses. Da die Auftragnehmerin nicht reagierte, beantragte der Auftraggeber (und Kläger des Verfahrens) ein selbstständiges Beweisverfahren.

Der Geschäftsführer der Auftragnehmerin (der Beklagte) wurde in der Folge wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verurteilt. Er stellte daraufhin Insolvenzantrag für die Beklagte. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.

In dem selbstständigen Beweisverfahren erstattete der Sachverständige sein Gutachten. Darin stellte er fest, dass Mängel vorhanden sind. Ebenso stellte er den Umfang der Leistungserbringung durch die Insolvenzschuldnerin fest.

Der Kläger erhob Klage gegen den Beklagten und verlangte, dass dieser ihm die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens erstatten solle. Das Ausgangsgericht, das Landgericht, stellte fest, dass die Auftragnehmerin und Insolvenzschuldnerin bereits vor dem Antrag auf das selbstständige Beweisverfahren zahlungsunfähig gewesen war. Der Beklagte hätte also innerhalb von drei Wochen Insolvenzantrag stellen müssen.

Landgericht und Oberlandesgericht verurteilten den Beklagten. Dessen Revision zum BGH hatte keinen Erfolg. Dieser stützt den Anspruch - anders als die Vorinstanzen - auf die Vorschrift des § 826 BGB - vorsätzliche sittenwidrige Schädigung - und meint, es reiche für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen aus, dass der Handelnde die Schädigung in seinen Willen aufgenommen habe. Zumindest müsse er die Schädigung billigend in Kauf genommen haben. Dafür benötige er keine genaue Kenntnis der Anzahl der geschädigten Personen. Es reiche aus, wenn er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer Personen auswirken könne und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens, erkannt und billigend in Kauf genommen habe. Führe ein Geschäftsführer ein erkannt zahlungsunfähiges Unternehmen weiter, ließe das darauf schließen, dass er dessen unabwendbares Ende zum Schaden der Gläubiger nur hinauszögern wolle.

Der Schutzbereich der Norm erfasse Gläubiger, die bei Entritt der Insolvenzreife bereits mit der Schuldnerin in vertraglicher Verbindung gestanden haben und durch einen mit der unerkannt insolvenzreifen Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit mit Kosten belastet würden, für die sie von ihr keinen Ersatz erlangen könnten. In den Schutzbereich der Vorschrift seien auch Personen einbezogen, die vor Insolvenzreife nicht mit der Schuldnerin in vertraglichen Beziehungen gestanden haben.

Die Entscheidung ist für die Praxis bedeutsam. Der BGH stärkt damit Ansprüche von Gläubigern gegen für Gesellschaften verantwortlich handelnde Personen, indem er den subjektiven Tatbestand ausweitet. Es muss dem Handelnden jetzt nicht mehr auf die Schädigung des Anderen ankommen. Es reicht vielmehr aus, wenn er diesbezüglich bedingten Vorsatz hat, er dessen Schädigung also billigend in Kauf nimmt.

Bisher waren Geschädigte weitgehend darauf verwiesen, ihre Ansprüche gegen die Schuldnerin im Insolvenzverfahren (meist ohne nennenswerten Erfolg) geltend zu machen. Jetzt können sie die Handelnden zusätzlich verantwortlich machen. Inwieweit dies freilich zu dem Ersatz des entstandenen Schadens führt, steht auf einem anderen Blatt. Oft sind Geschäftsführer insolventer Unternehmen Haftungsansprüchen der Sozialversicherungsträger und des Finanzamts ausgesetzt. Zudem drohen strafrechtliche Konsequenzen und die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter aus insolvenzspezifischer Haftung. Für den Schadensersatz fordernden Gläubiger bleibt da meist wenig übrig.